Warum ich nicht von Gott rede

Menschen sind derart bedürftig nach Geborgenheit, Sinnhaftigkeit und Ewigkeit des Erlebens, dass sie den ‚liebenden‘ Übervater der Ahnen übernehmen und passend ausgestalten. Ein himmlisches Wesen, das lenkt und denkt – und MICH liebt. Wie schön.

Gelingt mir diese Wahnvorstellung, dann erlebe ich, wie Glückshormone mich durch- und überfluten. Aber kann dieser Glückszustand dem Zweifel der Aufklärung, dem Zweifel wissenschaftlicher Denkweise auf Dauer standhalten? Eigentlich nicht. Auch wenn manche diesen Spagat versuchen. Wenn man ehrlich ist, und Spiritualität verlangt radikal nach Ehrlichkeit, dann bleibt vom Glauben bestenfalls ein Agnostizismus übrig. Andererseits: auch wenn Thomas Metzinger sagt, man müsse doch auch endlich eingestehen, dass es den Osterhasen nicht wirklich gebe, so bleiben eben doch, und dies ist kein wissenschaftlicher Standpunkt, sondern meine Überzeugung, also ein Glaube, die letzten Fragen rund um die Materie und das Bewusstsein für immer unbegreifbar. ‚Ignorabimus‚ (wir werden es niemals wissen), wie Du Bois-Reymond so schön ausrief. An diese letzten Fragen die Existenz eines persönlichen und allmächtigen Gottes zu hängen, ihn quasi neu erfinden zu wollen, als proto-proto-physikalische ‚Kraftmaschine‘, ist eine Konstruktion, die an die eingangs erwähnte Bedürftigkeit anknüpft. Von Gott hat sich der Mensch der Moderne zu emanzipieren begonnen. Es war auch ein allzu trauriger Unterwerfungswahn, der Jahrtausende unserer Kultur geprägt hat. Der Gottesbegriff war nicht nur Sinnbild für Liebe und Ewigkeit, sondern auch für Macht und Grausamkeit. Dennoch, so sehr ist dieses Phänomen verinnerlicht, fällt es nur dem Skrupellosen leicht zu sagen: Gott ist tot.

Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde.

Dieser Satz von Ludwig Feuerbach, der fast alles schon umfasst, was zu diesem Thema erklärbar ist, ist ja nicht mehr von der Hand zu weisen. Vielmehr lässt er sich sogar mittels Scannerstudien, wie ich hier zitiert habe, objektivieren. Um über Freiheit, Bewusstsein, Moral und Metaphysik zu sprechen, ist der Gottesbegriff, der Assoziationen von ‚Gottesfurcht‘ erzeugt, nurmehr hinderlich. Im Schlepptau Gottes kommen Sünde, Beichte, Buße, Strafe, Fegefeuer, Hölle und Teufel daher. Nein danke. Mein ‚Gott‘ ist radikal kein Gott, sondern das Geheimnis hinter den ‚letzten Fragen‘. Ich wiederhole mich: Der Gottesbegriff entspringt lediglich psychologisch erklärbaren Bedürfnissen, hat seine historischen Pirouetten gedreht und seine Realisierung war schon immer und ist auch heute nur ein Wahn. Spiritualität geht ohne Gott.

Warum wir gar nicht wach sind

Wer sich mit Spiritualität beschäftigt, wird früher oder später auf mehr oder minder Berufene stoßen, die in etwa Folgendes sagen: Menschen, die scheinbar wach sind, leben in Wirklichkeit in einer Art Traumwelt, meist ohne es zu wissen. Manchmal kommt noch ein Zusatz, der noch provokanter ist: Nur wenn sie schlafen, sind sie eigentlich wach.

Mit letzterem kann ich nicht viel anfangen, mit dem ersten Satz hingegen schon. Ich setze Traum mit Unbewusstem gleich und schon ist das psychologisch recht stimmig. Aber halt, da wartet noch etwas Arbeit auf uns.

Wir funktionieren im Alltag. Das begründet den Funktionalismus. Ein funktionaler Zustand ist dadurch definiert, dass er auf einen bestimmten Input mit einem bestimmten Output reagiert und in einen anderen funktionalen Zustand übergeht. Damit haben wir das Qualia-Problem umschifft. Mehr nicht. Also ist der Funktionalismus dann letztlich doch falsch. Ich hab früher schon zu diesem Thema geschrieben, z.B. hier.

Aber dem Menschen ereignen sich durchaus haufenweise „funktionale Zustände“, ohne dass er davon nur die Bohne mitbekäme. Ein Großteil der Dinge die wir tun, tun wir mit extrem abgedämpfter Aufmerksamkeit. Wir überwachen uns kaum, sogar beim Autofahren reicht eine Restaufmerksamkeit. Meistens. Weil es Routine ist. Und vieles ereignet sich uns und wir haben sogar Null Aufmerksamkeit drauf. Hinsichtlich solcher Zustände und Veränderungen sind wir tatsächlich, also partiell, der gedankenexperimentelle philosophische Zombie. Das trifft selbst auf die Kommunikation zu. Wenn ich mit jemand spreche, sendet dessen Körper, Gesicht, Haltung, Gestik etc. Signale aus, die ich nur unbewusst verarbeiten kann. So kann es geschehen, dass ein Gespräch eine Wendung nimmt, die von den beiden Unbewussten „gesteuert“ worden ist. Um sich nachträglich einen Reim auf solche Gesprächsverläufe zu machen, operiert der Mensch mit Konstrukten wie Sympathie, die halt unabhängig vom rein verbalen Austausch irgendwie magisch wirke. Also, funktionalen Zuständen ist es egal wieviel mentaler Schmalz, wieviel bewusste Verarbeitung und Erleben daran hängen.

In der neueren Psychologie, auch in den verhaltenspsychologisch (VT) orientierten Schulen, wird der Rolle des Unbewussten mittlerweile wieder der gebührende Platz eingeräumt. Das alles nach Freuds zu einseitiger Theorie vom Unbewussten als vorrangig Sexuellem, der Libido. Und dem Input-Blackbox-Output-Behaviorismus. Und der darauf folgenden kognitiven Wende. Jahrzehntelang war es nach dieser Wende ziemlich hip, den Freud ins Lächerliche zu ziehen und der Welt des Bewusstseins die alleinige Entscheidungsmacht zuzubilligen. Bis nun die neuropsychologische Forschung dieser Hybris ein Ende setzte. Man kann heute (wieder) kognitive VTler von der Übermacht unbewusster Entscheidungen reden hören, ohne Scheiß. Nun, wem das jetzt nichts sagt, der kennt den amüsanten Schulenstreit in der Psychologie nicht.

Also, das Unbewusste ist rehabilitiert, nicht in der freudschen Gestalt zwar, aber als „unbewusste Kognition“. Hm, was das nun sein soll, ist mir wiederum rätselhaft. Im Prinzip geht es nur darum, einen breitgetretenen Begriff – die Kognition – um jeden Preis zu retten. Aber wie nun mal nicht alles Libido ist, was „entscheidet“, so ist auch nicht alles Kognition. Unbewusste Kognition ist etwa so genial wie ein torloser Sieg im Fußball.

Also, was entscheidet, wenn es in vielen, sogar in den meisten, Fällen nicht die Kognition, das bewusste Nachdenken über etwas ist? Dank der Hegemonie des Kognitivismus hat man eigentlich keinen Plan in der wissenschaftlichen Psychologie. Schon überläßt man das Spielfeld den Philosophen. In der Neuropsychologie machen sich deshalb jene breit, die den Psychoballast loswerden wollen, die zwar noch von Kognition reden, aber nur noch, als zwar heilige, Metapher am Rande. Ihnen geht’s um die Funktionsweise von Neuronen, Synapsen, das enzymatische Spiel zwischen DNA und Umwelt in den Milliarden Zellen und Billionen Synapsen. Am Ende muss man den Leuten einfach noch ausreden, dass sie je Qualia hatten, bzw. dass sie je etwas erlebten, und der Plan ginge auf.

Zum Glück gibt’s neben dem ganzen Hochschul-Mainstream noch anderes. Seit 1985 existiert etwa das Zürcher Modell der sozialen Motivation von Norbert Bischof. Ein Modell, das einen respektablen Erklärungswert von Verhalten bietet, ohne das Bewusstsein übermäßig strapazieren zu müssen. Wenn das System nicht unter Streß steht, braucht es dieses gar nicht. Und dann gibt’s den Coping-Apparat, der Probleme unter Einbezug bewusster Prozesse löst. Das empirisch in einigen Teilsystemen bewährte Modell zeigt wichtige soziale Verhaltensweisen/Interaktionen, wenn wir eben „träumend“ durch unseren Alltag stolpern.

Hier poste ich mal eine abgespeckte Version, die diesen Coping-Apparat nicht umfasst. Um das Modell jedoch zu begreifen, sollte man Bischofs Buch „Das Rätsel Ödipus“ bis Seite 479 verstanden haben. Oder man kennt sich sonst schon sehr gut aus in Psychologie und Systemtheorie.

Was soll dieser Beitrag hier? Provozieren, anregen. Das was vor dem Leerwerden ganz nett wäre. Er soll auch einfach zeigen, dass wir nicht viel verstehen von uns selbst, weil wir uns bis jetzt nicht einmal ernsthaft zum Thema gemacht haben. Weder wissenschaftlich noch spirituell. Ausnahmen bestätigen die…

Vereinfachte Version von Felix Schönbrodt (aus Wikipedia).

Das Salz der Erde

Stell dir vor, es seien Salzkristalle in irgendeinem halbvertrockneten Salzsee dieser Erde. Die wären herangewachsen zu respektabler Größe. Dann macht es Schwopps – und diese Kristalldinge haben einen Mechanismus entwickelt, um da draußen ihre Umgebung wahrzunehmen und nochmal Schwapps – und diese Kristallwesen nehmen absurderweise sogar sich selbst als Kristallwesen wahr. Kristallklares Bewusstsein. Ohne Zweifel. Sie erkennen sich und die anderen als Kristallwesen. Sie sprechen und streiten miteinander. Und entdecken die Liebe. Was für ein Irrsinn! Kristalle, die Denken, Gefühle haben, die sich selbst bewusst sind, lügen und ehrlich sein können, wie es ihnen beliebt.

Wo gibt’s denn so einen Schmarren.

In Wahrheit dauern Schwopps und Schwapps viele Millionen Jahre und es sind auch nicht Salzkristalle. Auch keine Steine. In Wahrheit sind es Würmer und dann Affen. Du bist so ein Kristallwesen. Deine Muskeln, die stark oder schwach sind, die manchmal schmerzen, bestehen aus Fasern, diese aus Sarkomeren, einer komplexen Molekülstruktur, die sich strecken und zusammenziehen kann. Eine chemische Reaktion aufgrund eines Aktionspotentials. Die einzelnen biochemischen Reaktionsschritte sind alle bekannt. Mehr ist da nicht. In deinem Hirn laufen Abermilliarden Aktionspotentiale, also winzige Stromstößchen, von Nervenzelle zu Nervenzelle. Da wird Information verarbeitet. Mehr nicht.

Und dann kommt dieser Körper daher und schwafelt, er sei jemand, eine Person, er habe ein Ich, ein Selbst, eine Seele, Gefühle und ein Haufen schöner Dinge mehr, die kein Neurowissenschaftler je finden wird. Ist der nicht völlig durchgeknallt?

Blind und taub werden?

Solange die Welt dualistisch daherkommt, bietet sie weniger Probleme: Gott und die Welt, Geist und Materie, Subjekt und Objekt. Dass wir diesen Formeln auch misstrauen, ist nun mal so. Jetzt wollen wir es jedoch ausbaden (Dass sie auch nicht zwingend EINE Dualität bilden, ist noch mal ein anderes Thema).

Was steckt hinter der Dualität, hinter dem Schleier der Maya? Das Eine, der Geist, Gott, Nichts? Die Absurdität des menschlichen Lebens, wie sie Camus beschrieben hat, wird um die Absurdität des Seins insgesamt ergänzt. Das Problem ist aber nur so lange eines, als man darüber nachzudenken gewillt ist.

Das haben die Gurus der Welt längst erkannt und speisen die frommen Leut daher mit Leer- und Totschlagformeln am laufenden Band ab. Denn all die Phänomene, all die Dinge und Affen hier draußen, muss man nur mühsam erklären und verstehen lernen, solange man nicht sagt: Das ist alles Quatsch. Es gibt nur den Osho, der sich in diesen Phänomenen verstrickt hat. Aber jetzt weg damit. Punkt. Oder so ähnlich.

In einem Punkt haben sie Recht, die Gurus. Mit Vernunft, menschlicher Vernunft lässt sich das Rätsel der Non-Dualität nicht lösen (nur schärfer betrachten). Denn die Vernunft kennt tausend Widergründe ihre Spielzeuge, sprich ihre Objekte, nicht herzugeben.

Deshalb neigen Spirituelle dazu, der Vernunft abzuschwören. Sie wollen naiv werden. Wir hatten das Bild hier schon missbraucht: Die Sehnsucht nach der Geborgenheit im, ja sogar nach der Einheit mit dem Uterus.

Die Welt als unendliche Fruchtblase. Fertig.

In gewissem Sinne ist das sogar wieder richtig. Nicht vernünftiges Nachdenken führt zu mystischen Erlebnissen. Bleibt die Frage, ob mystische Erlebnisse das sind, was man auf spirituellem Weg überhaupt anstrebt. Ich habe mich hier mit einer Studie auseinandergesetzt, die zeigt, dass mystisches Erleben auf eine Hirnfunktionsstörung zurückgehen kann (nicht muss). Auch das schöne Video von Frau Bolte Taylor, lässt uns erahnen, was das Problem wirklich ist.

Der normale Wachzustand, das Tageswachbewusstsein, muss aus evolutionären Gründen das Gegenteil einer spirituellen Erfahrung sein. Das ist der Fluch. Wir sind programmiert durch die Naturgeschichte, ein funktionierendes, ständig optimierendes Subjekt in einer Welt voller Mitsubjekte (Konkurrenten und/oder Kooperierende), voller Fressfeinde und voller Fressopfer zu sein. Damit wir den Wahnsinn gegenseitiger Verstoffwechslung mitmachen, hat die Evolution Endorphine, Dopamin und andere schöne Moleküle in uns hineingebaut, die zuverlässig, kybernetisch gesteuert, darüber wachen, dass immer schön weitergespielt wird. Alles andere sei der Tod, sagen uns die Phänomene und die Ökonomen.

Eben: Die Tretmühle. Das hedonistische Hamsterrad, meinetwegen. Aber genau hier setzt die Vernunft ihren Hebel an: Will ich dort der Idiot vom Dienst sein, getrieben durch Schlüsselreize, diesen primitiven – Phänomenen, die mein Hirn mir erst zu Schlüsselreizen zusammenschustert? He? Will ich das sein?

Deshalb hat Spiritualität mit Verstand und Vernunft zu tun. Die Phänomene konstruiert mein Automat Hirn, aber ich kann mich darauf verlassen, dass sie auf eine Realität da draußen verweisen. Aber wenn ich nicht mehr der reizgesteuerte Idiot sein will, will ich dann ein asketischer Buddha, also ein erleuchtetes Nichts im Nirvana sein (Für die Buddhisten: das ist nicht die korrekte Frage des Buddhisten, sondern die des Gerade-eben-noch-Idiot-gewesenen)? Das ist die erste und letzte spirituelle Frage. Diesen Weg individuell zu finden, ist die erste und letzte spirituelle Aufgabe.

Transzendenz zwischen Wirklichkeit und Wunschwelt

Wie könnte ich je Gewissheit erlangen, ob das Eine, das Absolute, Dao oder Gott – egal welche Wortmarke man für sich wählt, um das mit den Sinnen nicht Erkennbare zu bezeichnen – ob das Transzendente real ist oder ob es nur aus einem verständlichen Bedürfnis heraus gerade mal die Wirklichkeit eines fliegenden Spaghettimonsters besitzt?

Ist das „Transzendente“ der Welt immanent?

Und warum das Eine? Wären nicht genauso gut eine Vielzahl transzendenter letzter Tatsachen, die in ihrem Zusammenwirken die Welt erschaffen – möglich?

Sobald ich dem Einen, etc. irgendeine Eigenschaft unterstelle, begehe ich den grundlegenden Fehler, das Absolute als Abklatsch menschlicher Psyche zu „verstehen“. Denn anders als vom Menschen aus kann ich gar nicht denken. Anthropomorphisierung kann immer nur eine Mythologie (eigentlich nur einen Mythos) begründen.

Wenn ich also nichts über das Absolute sagen kann, was kann ich dann noch tun? Für mich bedeutet dies in erster Linie trotzdem, ja trotzdem eine Moral zu begründen. Unsere Freiheitsgrade wären sonst zu groß, um ohne Religion, ohne Zwangsmoral, ohne Mythologie nicht in der Barbarei zu versinken.

Und dann: Ist nicht die Idee des Guten auch transzendent…?

Krieg und Frieden

Der Wunsch geborgen zu sein, ist ein Motiv, das fast jeden hin und wieder an- oder überfällt. Bis hin zur absoluten Regression – einer entwaffnenden, also doch attraktiven Sehnsucht. Nicht nur rückwärts in die Arme der liebenden Mutter fließen, nein weiter zurück in die Gebärmutter, in die Schwerelosigkeit des warmen Fruchtwassers, der Mutter aller Wellnessangebote, wo all die störenden Geräusche unserer Schaffenswut auf ein Minimum herunterreguliert wären. Aaah.

Die Kulturmaschine, die uns umgibt, die uns täglich dröhnend den Takt für ihren Feldzug trommelt, hat einen fleißigen Gehilfen im Hirn, der eine drohende Verebbung des Fortschritts um des Fortschritts willen zu verhindern weiß. Freud nannte ihn Über-Ich, diesen strengen Vollstrecker des „Notwendigen“. Über meinem Ich wird Es verhindert. Ferngesteuert durch automatische Kriegsziele, die wir mit schönen Begriffen wie Wachstum, Sachzwang, ökonomische Gesetzmäßigkeit zu benennen pflegen.

So hat sich eine Ordnung erschlichen, in der Welt da draußen wie in unserem Seelenheil. Widerstandsnester existieren also noch in der Form dumpfer, tumber – reaktionärer! – Sehnsucht nach Ruhe, Geborgenheit und Frieden. Der Acedia, der religiösen Gleichgültigkeit, einer der sieben Todsünden, entspricht heute dieser ab und an gefährlich aufflammende Wunsch nach völliger Regression. Damit wir nicht exkommuniziert oder gleich gesteinigt werden, müssen wir diese Sehnsucht tunlichst als Burnout verbrämen. Oder genauer noch: Wir müssen erst ein Übermaß von unserem Fleische dem Gott des Fortschritts geopfert haben, um diesen milde zu stimmen – für eine „Auszeit“.

Dann dürfen wir uns sogar neu erfinden, in Talkshows über die bereichernde Erfahrung eines Rückzugs in den Uterus sinieren und bunte Pfade freitrampeln in den Nischenangeboten der Megamaschine.

Die gesellschaftlichen Zwänge haben ihre kybernetischen Regelwerke weitgehend von den wenig erbaulichen öffentlichen Hinrichtungsplätzen in den präfrontalen Kortex verschoben. Alles was es dazu brauchte, war die Verbreitung des Tausch– Suchtmittels Geld, das der Hirnphysiologie besonderen Anreiz zur Kooperation mit der äußeren Maschinerie vermittelt.

In Zeiten des Friedens tobt der Krieg lächelnd in unseren Gehirnen. Nun wäre es am Individuum einen gerechten Frieden zu schließen und neue, lebenstaugliche Regelsysteme zu entwerfen.

Der Funke Leben

Vom Standpunkt eines Biologen aus betrachtet ist der Tod gar kein Rätsel. Er ist das ganz Normale. Das Leben ist das Erstaunliche, das zu Erklärende.

Zwischen dem ewigen Tod blitzt es kurz auf. Wozu? Worauf verweist es? Auf nichts!? Aber selbst dieses kurze Blitzgewitter ist vielen Menschen noch viel zu lang. Kaum auf der Welt, sehnen sie sich schon nach ewigen Schlaf. Häftlinge ihrer selbst? Realisten?